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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 110/07
Rechtsgebiete: BRTV, NachwG
Vorschriften:
BRTV § 14 | |
NachwG § 2 | |
NachwG § 2 Abs. 1 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss
Aktenzeichen: 1 Ta 110/07
Im Beschwerdeverfahren
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 09.08.2007 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.01.2007 aufgehoben.
Dem Arbeitsgericht Kiel wird aufgegeben, über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu entscheiden.
Gründe:
I.
Die Klägerin/Beschwerdeführerin will die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erreichen.
Die Klägerin hat am 12.10.2006 Zahlungsklage für Lohnansprüche für die Monate Juni und Juli 2006 erhoben. Sie war bei dem Beklagten als Gartenbauerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau in der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Dezember 1995 (BRTV) anzuwenden. In dem Arbeitsvertrag vom 17.06.2006 ist u. a. unter "§ 2 Tarifverträge" eine Bezugnahme auf Tarifverträge gestrichen; in § 10 ist geregelt, dass "gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ... innerhalb/der tarifvertraglichen Frist/von zwei Monaten/ schriftlich geltend zu machen sind. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb der tarifvertraglichen Frist/von drei Monaten / nach Beendigung schriftlich geltend zu machen".
Es ist unstreitig, dass die Klägerin bei der Geltendmachung ihrer Forderung die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 14 BRTV nicht eingehalten hat.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 22.01.2007 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgewiesen und dies wie folgt begründet:
Die Ansprüche der Klägerin seien aufgrund der Ausschlussfrist des § 14 BRTV verfallen. Der Tarifvertrag sei auch ungeachtet der vertraglichen Regelung anwendbar. Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch zur Seite. Eine etwaige Pflicht des Arbeitgebers zur Mitteilung der für den Betrieb maßgebenden Tarifverträge führe nicht zu einem Schadensersatzanspruch.
Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.01.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22.02.2007 beim Arbeitsgericht Kiel eingegangene sofortige Beschwerde, die wie folgt begründet worden ist:
Der Anspruch auf Arbeitsentgelt sei nicht wegen der Ausschlussfristen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages ausgeschlossen. Die Parteien hätten die Ausschlussfristen durch entsprechende Regelungen in § 10 des Arbeitsvertrages durch Streichen des "§ 2 Tarifverträge" wirksam zugunsten der Klägerin verlängert. Nach dem Günstigkeitsprinzip sei das auch wirksam. Im Übrigen habe sie, die Klägerin, anstelle des Anspruchs auf Arbeitsentgelt auch einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe. Durch die Streichung des "§ 2 Tarifverträge" habe der Beklagte eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist auch in der Sache gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin/Beschwerführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Das Arbeitsgericht hat an die Erfüllung dieser Voraussetzung zu hohe Anforderungen gestellt.
1. Das Beschwerdegericht kann offen lassen, ob den Gründen des Arbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 22.01.2007 im Einzelnen zu folgen ist. Das Arbeitsgericht hat nach Auffassung des Beschwerdegerichts jedoch einen wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen, der die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten rechtfertigen könnte. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts sprechen gute Gründe dafür, dass sich der Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Ausschlussfrist des BRTV berufen kann. Das ergibt sich daraus, dass er im Arbeitsvertrag unter "§ 2 Tarifverträge" die Geltung von Tarifverträgen ausdrücklich dadurch ausgeschlossen hat, dass dieser Passus gestrichen worden ist. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 676/02 -, AP Nr. 7 zu § 2 Nachweisgesetz ausgeführt, dass ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag und die darin geregelten Ausschlussfristen auch dann Anwendung finden, wenn der Arbeitgeber seine Pflichten aus § 2 Nachweisgesetz verletzt, insbesondere weil er nicht auf die Geltung des Tarifvertrages hingewiesen hat. Es hat sodann ausgeführt, dass allein der Verstoß gegen die aus § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz folgende Verpflichtung ein rechtsmissbräuchliches Verhaltens des Arbeitgebers nicht begründet. Das bedeutet, dass ein Schweigen im Arbeitsvertrag zur Frage der Geltung des Tarifvertrages für den Einwand nicht ausreicht. Hier liegt der Fall jedoch anders. Der Beklagte hat durch das Streichen des § 2 gegenüber der Klägerin den Eindruck erweckt, dass Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis nicht Anwendung finden. Er hat damit möglicherweise einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass er sich nicht anschließend auf die Geltung des Bundesrahmentarifvertrages berufen werde.
2. Überdies kommt ein Schadensersatzanspruch der Klägerin in Betracht. Nach der genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann sich aus dem unterlassenen Nachweis des anzuwendenden Tarifvertrages eine Schadensersatzverpflichtung ergeben. Etwaige Schadensersatzansprüche wären mit dem Verfall des Lohnanspruches entstanden. Das wären für die Lohnansprüche für Juni 2006 der 04.08.2006 und für die Juli-Lohnansprüche der 30.09.2006. Insoweit hätte das Arbeitsgericht aufzuklären gehabt, ob die Ausschlussfrist durch die behauptete Geltendmachung am 25.08.2006 gewahrt worden ist.
Aus den dargelegten Gründen ist dem Arbeitsgericht aufzugeben, über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu entscheiden.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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